Das große Loslassen

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Dieser Weg wird kein leichter sein
Dieser Weg wird steinig und schwer
Nicht mit vielen wirst du dir einig sein
Doch dieses Leben bietet so viel mehr. – Xavier Naidoo
Mich wundert nichts mehr.
Nicht, dass ich je länger ich Yoga übe, und desto mehr ich loslassen kann, ich dabei auch tatsächlich beginne Menschen loszulassen, die mir sehr wichtig sind. Früher hätte ich das nie für möglich gehalten. Da war es eher „wenn dir was wirklich wichtig ist, musst du daran festhalten, musst du darum kämpfen“.
Das scheint jetzt anders geworden zu sein. Vielleicht ließe es sich derzeit umformulieren in „wenn mir etwas oder jemand sehr wichtig ist, dann kann ich  ihn auch loslassen und darauf vertrauen, dass er in meinem Leben bleibt, wenn er wirklich zu mir gehört.“ Dafür muss ich nicht meinen Willen durchsetzen, auch nicht Recht haben, gut dastehen oder sonst irgendwas, um das es mir früher gegangen wäre. Ich kann jetzt tatsächlich Menschen, die ich liebe, loslassen.
Das ist etwas völlig Neues für mich.
Mich wundert auch nicht mehr, dass ich dieses Loslassen grad so intensiv  vor Ostern praktiziere, in einer Zeit, die dafür wie gemacht ist, sich mit Themen wie Verlust, Sterben, Tod und Wiedergeburt auseinanderzusetzen. Oder besser gesagt: zusammenzusetzen, würde mein Lehrer sagen.
Auch nicht, dass ich krank im Bett liege statt draußen die Welt zu retten. Dass mein Körper stop gesagt hat, bevor’s weiter geht. Weil ich erst noch ein paar Sachen loslassen muss. Und klären.
Bei diesem Prozess wird mir wieder mal klar, wie feinfühlig man durch Yoga wird, wie wenig es irgendwann ums eigene Ego geht, also wie wenig darum, wer Recht hat, wer erfolgreich ist. Und wie sich allmählich die Leute um einen verändern. Weil man sich selbst so arg verändert. Wie wenig sicher es ist, dass einen Freunde, die man seit zehn oder 20 Jahren kennt, das ganze Leben lang begleiten werden. Wie man sich allmählich immer mehr von Menschen angezogen fühlt, die selbstlos handeln, die ihr Leben anderen Leuten als Geschenk machen, die alles tun, was in ihrer Kraft steht, damit es anderen besser geht.
Es tut trotzdem weh, immer wieder Menschen zu verlieren bei diesem Prozess. Oder auch nur zu spüren, wie zerbrechlich Verbindungen werden, wenn sie nicht aus reiner Liebe bestehen, sondern auch mit Egoismus gemischt sind.
Mir kommt es vor, als hätte sich ein Kreis geschlossen. Der Beginn war mit einem früheren Freund, den ich damals dachte bedingungslos und unbedingt zu lieben. Nur so sehr, dass ich mir ein Leben ohne ihn absolut nicht vorstellen konnte. Und den ich absolut nicht loslassen konnte. Und jetzt gab es vor Kurzem etwas, das ich auf dem Yogaweg unbedingt erreichen wollte, weil ich mir so absolut sicher war, dass ich es brauche und dass es absolut richtig ist für mich. Ich habe es nicht bekommen, und stattdessen noch einen Freund loslassen müssen.
Das war, als würde ich in den Spiegel schauen und das was er jetzt tut ist das was ich früher getan habe: Festhalten. Und dann hab ich mich gefühlt, wie sich vielleicht der andere gefühlt haben mag, den ich unter Druck gesetzt habe. Und es fühlte sich nicht wie Liebe an. Es fühlte sich nicht frei an.
So absurd es sich anhört: Ich bin dankbar, dass ich endlich meine Lektion gelernt habe. Dass ich nicht anderen meinen Willen aufzwingen kann, nur weil ich unbedingt etwas von ihnen will oder sie so sehr liebe, dass ich etwas von ihnen brauche. Mir fällts allmählich leichter zu vertrauen, dass das was ich brauche, kommen wird. Und dass es schon irgendwie richtig ist, so wie es ist.