Love everybody and tell the truth. Das ist der Fokus des Monats bei Jivamukti im August.
Fangen wir mal mit der Wahrheit an. Die Wahrheit findste nicht mal so eben im Vorbeigehen. Ein guter Journalist beispielsweise, und darunter verstehe ich einen nicht gekauften, dieser Journalist muss sich den Arsch abrackern, damit er sich durch einen Berg von Lügen und interessengeschmierte Wahrheiten – verkündet von entsprechenden Interessenverbänden, sprich Propaganda – gräbt, um danach vor etwas zu stehen, was bestenfalls subjektiv wahr genannt werden kann.
Und will er diese Wahrheit ins Blatt heben, dann muss er natürlich aufpassen, dass er keinem seiner Anzeigenkunden zu nahe tritt. Die finanzieren schließlich den Stuhl, auf dem er in seiner Redaktion sitzt.
Doch das nur mal am Rande.
Im Prinzip wäre es schön, wenn wir sein könnten wie die Kinder. Jeder könnte die Wahrheit sagen, so wie sie kommt. Bin eh der Meinung, Kinder spüren die Wahrheit viel direkter und unverfälschter wie wir. Weil sie noch nicht so zugevernunftet sind wie wir. Nur würde jeder jedem seine Wahrheit sagen wie’s kommt, hätten wir vermutlich keine Freunde mehr und noch mehr Krieg als eh schon.
Wahrheit und Liebe vertragen sich nicht
Also wie jetzt „love everybody and tell the truth“ ? Jeden lieben, wirklich jeden, auch die, die ich eigentlich nicht liebe und die Wahrheit sagen erscheint mir wie ein Widerspruch. Wahrheit und Liebe vertragen sich nicht. Sehr oft, wenn ich jemandem die Wahrheit gesagt habe, wars vorbei mit der Liebe. Menschen hören lieber Lügen. Damit lebt sich’s leichter, diplomatischer.
Wie also sagt man die Wahrheit ohne andere zu verletzen?
Schwierig. Wir Erwachsenen sind so verstrickt in unsere Verpflichtungen, Netzwerke, Höflichkeiten, Alltagsabläufe, finanzielle Situationen, dass die Wahrheit, wenn sie so ganz nackt daherkommt, für Fassungslosigkeit und – ja, Angst – sorgen kann. Ich gefährde mit der Wahrheit radikal ihre sorgsam gebaute Maskerade.
Und überhaupt: Wo kämen wir denn da hin, wenn jeder jedem wild seine Wahrheit sagt?
Noch eine Frage: Wie verhalte ich mich liebend gegenüber Menschen, die andere absichtlich quälen? Wie kann ich als Veganerin jemanden lieben, der der Kuh die Kehle durschschneidet? Wie kann ich Menschen lieben, die andere nicht wie Menschen, sondern wie Dreck behandeln? Wie kann ich jemanden lieben, der in ein saftiges Steak beißt, ihm die Soße am Kinn runteräuft – wenn doch alles in mir schreit?
Mitgefühl
Wenn Lieben nicht geht, versuch’s mit Mitgefühl, sagt mein Lehrer Petros. Wenn das nicht geht, bleib zumindest freundlich. Wenn das auch nicht geht, sei tolerant. Toleranz ist einfach, sagt er, wenn man versteht, wie konditioniert die eigenen Motive sind.
Ich interpretiere seinen Rat so:
Liebe – ist klar. Einssein und so.
Mitgefühl – der Versuch, mich in eine meiner Meinung nach böse Person einzufühlen, um zu verstehen, woher ihre Motive kommen. Sich klar zu machen, dass jeder auch noch so scheinbar böse Mensch den Wunsch hat geliebt zu werden und nicht zu leiden. Diese zwei Sachen.
Freundlichkeit – eine eher ausweichende Haltung, wo ich die Haltung wahre und selbst versuche, niemanden zu verletzen, auch wenn ich ihn noch so hasse/scheiße finde. So schaffe ich zumindest mal kein neues Karma.
Toleranz – mir werden genau die Leute/Situationen aufgetischt, an denen ich was lernen soll. Die Eigenschaften, die mich an anderen kirre machen, sind oft die Eigenschaften, die ich an mir selbst so hasse. Ich flippe aus, wenn jemand einen Schweinsbraten isst, jemand anderen lässt das kalt. Ich mache mir klar, dass das mein Film ist, den ich da schiebe. Und jeder schiebt seinen Film.
In der Therie verstehe ich es. Nur im Moment wirkt das für mich wie als könnte ich nie sein, wer ich wirklich bin, nie sagen, was ich wirklich denke. Was bringt uns dann alles Reden, wenn wir nicht zeigen können, wer wir wirklich sind?
Und wie können wir unsere Wahrheit überhaupt jemals loswerden, ohne zu verletzen? Und ohne neues Karma zu schaffen?
Im Moment kann ich diese Fragen noch nicht mit Leben füllen. Das ist die Wahrheit. Vielleicht geht das nur für erleuchtete Menschen.
Fokus des Monats August – geschrieben von Sharon Gannon